22. SONNTAG IM JAHRESKREIS
Jesus Sirach (3,17-18.20.28-29)
Evangelium nach Lukas (14,7-14):
In der Bibel gibt es Bücher, die man zu der „Weisheitsliteratur“ rechnet. Es geht um Lebensweisheit. Einige Beispiele haben wir in der ersten Lesung gehört:
- Sei bescheiden bei allem, was du tust; dann wird man dich mehr lieben als einen, der Geschenke macht.
- Durch diese Bescheidenheit erwirbst du dir die Gunst Gottes.
- Hochmut ist ein Unkraut mit tiefen Wurzeln.
Können wir das unterschreiben? Streben wir in unserer Lebensweise solche Bescheidenheit an? Oder denken wir, wie man heute so denkt: Im Leben kommt es darauf an, ganz vorne und wichtig zu sein. Schon von klein auf gibt es ein Bedürfnis besser, schneller, schöner, reicher, erfolgreicher, angesehener zu sein als alle andere. Unser Selbstwertgefühl scheint sehr stark davon abzuhängen, wie uns die Mitmenschen sehen, wie sie uns zujubeln. Ist Bescheidenheit nicht ein Zeichen der Schwäche?
Auch Jesus ist das aufgefallen, als er eines Abends zu einem Essen eingeladen ist und sieht wie die Gäste auf ihre Wichtigkeit bedacht sind, die Aufmerksamkeit auf sich lenken wollen. Sie wollen geehrt und bewundert werden. „High society“, „Seitenblicke“- Mentalität. Dagegen ruft Jesus zu Bescheidenheit auf. Es geht ihm hier nicht um „Anstandsregeln“, sondern um eine tiefe Lebenseinstellung, um unsere Haltung den Mitmenschen, Gott, und uns selbst gegenüber.
Jeder und jede von uns braucht Anerkennung, Ansehen. Ein Mensch, der nicht „angesehen“ wird, übersehen wird, von dem man keine Notiz nimmt, kommt sich überflüssig vor, hat das Gefühl, dass er „nichts wert“ ist. Er hat kein Selbstwertgefühl, ist ein „Niemand“, ist lebensunfähig. Deswegen dieses Grundbedürfnis von andern als gut, wertvoll, wichtig bestätigt zu werden. Aber wann tun sie das? Wenn ich in dieser Gesellschaft viel leiste? Leben wir nicht in einer Leistungsgesellschaft, in der jeder danach beurteilt wird wieviel er „leistet“? Und wenn ich nicht viel leisten kann, weil ich krank bin, meine Fähigkeiten (Talente) beschränkt sind, behindert bin .... bin ich dann deswegen nichts wert und muss ich nicht Angst haben, auf die Seite geschoben zu werden, ohne Bedeutung?
Die Botschaft von Jesus lautet: Deinen Wert musst du dir nicht krampfhaft erarbeiten. Du hast von vornherein deinen Wert, dein Ansehen, weil du von Gott „angesehen“ wirst. Weil er dich liebt, bist du unendlich wertvoll. Sogar dann noch, wenn andere dich nicht anerkennen. Du bist das, was du vor Gott bist. Gott kennt dich bis auf den Grund. Gott kennt das, was dich freut. Gott kennt dich und liebt dich mit deinen Schwierigkeiten und Versuchungen. Nimm dich darin selber an. Du darfst darauf vertrauen, dass du, so wie du bist, mit allem, was du kannst und auch, was du nicht kannst, so von Gott geschaffen bist, vor allem so auch angesehen und geliebt bist. In diesem Bewusstsein zu leben stärkt dein Selbstbewusstsein.
Aber bedenke auch: Deine Fähigkeiten, deine Talente, deine Begabungen - darin steckt das Wort „Gabe“! - sind dir gegeben, geschenkt. Sie sind nicht deine eigene Leistung. Weil du gebildet bist, weil du einen großen Besitz hast, in einer angesehenen Familie lebst, einen wichtigen Job hast, Karriere machst, deswegen bist du nicht besser oder wichtiger als andere. Deswegen brauchst du dich nicht über andere erhaben zu fühlen. Bleibe also bescheiden. Diese Bescheidenheit bedeutet für dich nicht, dich selber abzuwerten. Du bist ein von Gott geliebter Mensch und dieses Bewusstsein stärkt dich, macht dich sogar fähig anderen zu dienen („Demut“) ohne dein Selbstbewusstsein zu schwächen.
Jesus will also, dass wir von innen her froh und frei sind, nicht abhängig, Sklaven unserer Bedürfnisse, geplagt von der Angst, zu kurz zu kommen, von anderen als „minderwertig“ und unwichtig betrachtet zu werden. Bleib also ruhig und vertraue darauf, dass Gott dich nicht übersieht. Er gibt dir in seinem Herzen einen Ehrenplatz. Mögen Menschen dir auch die gebührende Ehre und Anerkennung versagen; Gott wird dies nicht tun. Deswegen kannst bescheiden sein.